09/2020 | FACHARTIKEL
Schweizer Taschenmesser unter den Mischern
Herkömmliche Rührer bewegen die Flüssigkeit im Behälter horizonal. Doch horizontale Rotation ist nicht effektiv. Die Flüssigkeit kreist im Tank wie in einem Karussell, und ihre Massenträgheit behindert die vertikale Durchmischung. Ein Leitstrahlmischer bietet gegenüber diesen Rührern viele Vorteile.
Die Problematik herkömmlicher Rührer lässt sich am einfachsten an einem Beispiel demonstrieren: In einem Prozesstank soll eine kleine Menge einer pastösen Flüssigkeit in eine niederviskose leichtere Flüssigkeit eingemischt werden. Der Rührer wird gestartet und die Flüssigkeit beginnt zu kreisen. Die Paste wird hinzugegeben, sinkt nach unten und beginnt ebenfalls zu kreisen – die leichte Flüssigkeit oben kreist recht schnell, die schwere unten bewegt sich kaum. Der Bediener drosselt die Drehzahl so, dass das Rührwerk nicht allzu viel Luft einrührt. Er beobachtet an der Oberfläche eine schnelle Rotation und ist zufrieden.
Nach 30 Minuten wird überprüft, ob die Vermischung beendet ist, und festgestellt: Nein, die Verteilung ist nicht homogen. Es muss weiter gerührt werden, bis man ein akzeptables Ergebnis erreicht. Oft findet man in Batchprotokollen Rührzeiten von 30, 60 und noch mehr Minuten. Alles normal? Nein, solche Zeiten sind ein Indiz dafür, dass der Mischer gar nicht homogen mischen kann! Wenn ein Prozesstank, in dem Medien intensiv miteinander vermischt werden müssen, nicht innerhalb von drei Minuten homogen von oben bis unten durchmischt ist, ist der Rührer ungeeignet.
Rühren reicht nicht
Rührwerke mit offen rotierenden Rotorblättern lassen die Flüssig-keit immer horizontal zirkulieren. Zudem werden sie meist in der Behältermitte installiert – im Hinblick auf die Rotation der Flüssig-keit die schlechteste Position.
Um die horizontale Rotation bei herkömmlichen Rührwerken zu reduzieren, können Stromstörer im Behälter eingebaut werden. Aber hinter diesen Stromstörern gibt es tote Zonen, in denen überhaupt keine Durchmischung stattfindet. Und diese Bereiche sind auch noch besonders schwer zu reinigen.
Herkömmliche Rührwerke bringen darüber hinaus drei weitere Probleme mit sich: Zum einen gibt es am Boden des Tanks, unter-halb der Achse des Rührers, fast keine Bewegung. Zum anderen kommt es oben an der Flüssigkeitsoberfläche, um die Rührwelle he-rum, zu einer Trombe. Dadurch wird unerwünscht Luft in die Flüs-sigkeit eingetragen. Außerdem haben sie aufgrund der mangelnden vertikalen Umwälzung Schwierigkeiten beim Mischen von Fest-stoffsuspensionen, denn Feststoffe haben die Tendenz abzusinken. So wurden Begriffe wie „90-%-Kriterium“, „Zwei-Sekunden-Krite-rium“ und „vollständige Suspension“ eingeführt. Diese Begriffe be-sagen nichts anderes, als dass die Suspension gar nicht wirklich ho-mogen ist, stattdessen wird die Suspension als „vollständig“ be-zeichnet, wenn 90 % der Gesamtmasse suspendiert sind oder wenn die Feststoffe nicht länger als zwei Sekunden am Boden liegen. Langsame und ineffektive Rührwerke verlängern die Prozesszeit, blockieren die Anlagen und Betreiber unnötig lange, begrenzen die Chargengröße und verringern die mögliche Qualität des Endproduktes.
Das Leitstrahlmischprinzip
Ystral setzt auf Leitstrahlmischer, denn diese erzielen immer eine sehr schnelle, vollständige und homogene Durchmischung. Beim Leitstrahlmischer befindet sich der Rotor in einem stillstehenden Stator. Der Stator verhindert, dass die umgebende Flüssigkeit in Rotation gerät, und richtet den Flüssigkeitsstrom direkt auf den Behälterboden. Dort wird der Strom geteilt und nach oben geleitet. An der Flüssigkeitsoberfläche wird die Strömung wieder zurück zum Mischkopf geführt. Auf diese Weise entsteht eine konsequent verti-kale Umwälzung. Dabei werden zwei Mischprinzipien unterschiedlicher Wirkung kombiniert: die effektive laminare Makrovermischung des gesamten Behälterinhalts und die hochturbulente Mikrovermischung bei der Passage des Mischkopfes. Laminare Mischung allein, wie man sie von einigen strömungsoptimierten Propellerrührern kennt, bewirkt zwar Bewegung mit geringem Leistungseintrag, aber keine effektive Vermischung.
Wenn man einen Leitstrahlmischer in einem Prozesstank verwendet, beobachtet man typischerweise eine Bewegung von ca. 0,3 bis 0,5 m/s an der Flüssigkeitsoberfläche – direkt von der Seite, auf der die Flüssigkeit nach oben kommt, zu der Seite, auf der die Flüssigkeit wieder zum Mischkopf hinuntergeht. Bei dieser Geschwindigkeit dauert es beispielsweise in einem 10 000-Liter-Tank mit 2 m Durchmesser und 3 m Füllstand nur 20 bis 30 s, den gesamten Tank einmal komplett von unten bis oben und wieder zurück zu durchmischen. Der Flüssigkeitsstrom passiert also zwei- bis dreimal pro Minute die turbulente Zone im Mischkopf.
Leitstrahlmischer werden immer exzentrisch, also außerhalb der Tankmitte positioniert. Bei größeren Behältern können sie auch von der Seite oder von unten installiert werden. Dabei ist es egal, ob der Behälter hoch oder niedrig, rund oder viereckig, stehend oder liegend ausgeführt ist. Der Mischkopf wird nahe am Boden installiert. So kann er bei je-dem Füllstand mit voller Leistung verwendet werden. Ein Beispiel: Sie wollen eine Charge mit kleinster Menge und höchster Konzen-tration beginnen und anschließend durch Zugabe von Flüssigkeit verdünnen – für den Leitstrahlmischer im Gegensatz zum Rührwerk gar kein Problem.
Leitstrahlmischer in der Praxis
Ein weites Anwendungsfeld für den Leitstrahlmischer sind normale Lager- oder Reifetanks. In diesen Tanks muss das Produkt homogen gehalten werden und vor Trennung wie Sedimentation oder Flotation geschützt werden. Bei diesen Anwendungen erfolgt kein intensives Vermischen von Medien und es wird keine Mikroturbulenz be-nötigt, sondern nur eine homogene Verteilung und eine langsame Bewegung. Für diese Anwendungen wird der Leitstrahlmischer mit einem nicht-turbulenten Marine-Impeller ausgestattet. Derselbe Kopf wird auch bei Wärmetauschanwendungen (Erhitzen, Abkühlen) verwendet.
Produkte, die zum Agglomerieren neigen, benötigen eine perma-nente Dispergierung, um dies zu verhindern. Nur Turbulenz reicht nicht aus. Für diese Anwendungen ist der Dispermix – eine Kombination aus Mischer und Dispergierer – das ideale Werkzeug. Beim Dispermix wird der äußere Teil des Flüssigkeitsstroms durch die Dispergierzone geleitet. Durch den Einsatz dieser Maschine kann die Lösezeit von Harzen, Verdickungsmitteln oder Polyvinylalkohol auf 10 % reduziert werden. Das Lösen von Zelluloseethern wird von Stunden auf Minuten reduziert.
Eine noch intensivere Dispergierung in Kombination mit den Vor-teilen des Leitstrahlmischens in einer einzigen Maschine ist möglich, wenn man den High-Shear-Dispermix verwendet. Diese Maschine kann für die Produktion von Emulsionen oder Dispersionen mit sehr feinen Partikeln verwendet werden.
Leitstrahlmischer mit der Zusatzbezeichnung „Multipurpose“ können mit allen drei Mischköpfen ausgestattet werden. Die Werkzeuge sind austauschbar. Das macht die Systeme zukunftssicher für den Fall, dass sich die Aufgabenstellung ändert. In allen Fällen wird eine homogene, vollständige Durchmischung innerhalb weniger Sekunden erreicht.
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Suchwort: Ystral
Magazin: cav
Ausgabe: 09/2020
Autor: Dr. Hans-Joachim Jacob
Über den Autor
Dr. Jacob ist Senior Expert Process and Applications bei ystral. Der studierte Maschinenbauer trat bereits 1990 als Verfahrenstechniker in das Unternehmen ein und betreut seitdem unsere Key - Accounts weltweit. Seine berufliche Leidenschaft ist dabei das Mischen und die Dispersion von Pulvern in Flüssigkeiten. Hierbei konnte er in seiner langjährigen Karriere, Erfahrungen im Umgang mit mehreren tausenden Pulvern aus den verschiedensten Branchen sammeln und teilt seine Expertise gerne mit Herzblut in diversen Fachartikeln, Online-Seminaren oder Vorträgen.
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