04/2022 | FACHARTIKEL
Mi(l)ch sticht der Hafer
Die Prozesszeit bei der Herstellung pflanzlicher Milchalternativen drastisch verkürzen
Für einen Hersteller von Haferdrinks hat der Dispergier- und Mischtechnik-Spezialist ystral zwei Prozessanlagen realisiert. Darin werden pflanzliche Proteine vollständig aufgeschlossen. Zugleich werden Stärken im erforderlichen Maße abgebaut sowie Agglomerate und Schaum vermieden. Die Prozesszeit gegenüber konventionellen Mischverfahren wurde deutlich reduziert.
Vom Nischenprodukt im Bioladen haben es Milchalternativen auf pflanzlicher Basis längst in das Dauersortiment der Discounter geschafft und die Bandbreite der veganen Ersatzprodukte ist groß: Neben Hafer-, Soja-, Reis-, Kokos- oder Mandeldrinks finden sich im Regal immer häufiger auch Milchalternativen auf Basis von Erbsen, Linsen, Adzuki, Fava, Cashews oder Erdnüssen. Der Begriff „Milch“ darf für diese Getränke seit 2017 offiziell nicht mehr verwendet werden. Werden Proteinpulver von Samen, Getreiden, Nüssen oder Hülsenfrüchten in Wasser eingearbeitet, neigen sie zum Verkleistern, Verkleben und Schäumen. Entscheidend ist, dass im Pulver vorhandene Agglomerate sofort beim Eintrag in das Wasser vollständig zerkleinert sowie die Bildung neuer Agglomerate von vornherein vermieden werden. Denn andernfalls müssen diese Agglomerate später durch langes Rühren und aufwändiges Nachdispergieren abgebaut werden – mit negativen Folgen für die Produktqualität, weil auf diese Weise bereits entfaltete Proteinstrukturen zerstört werden.
Auch hinsichtlich der im Pulver enthaltenen Stärke ist eine Vermeidung von Agglomeraten von großer Bedeutung. Der Stärkeabbau erfolgt meist durch Enzyme, gelegentlich auch durch Säuren. Werden die Pulverpartikel bereits vor dem Flüssigkeitseintrag vereinzelt und während des Pulvereintrags stark dispergiert, wird der enzymatische Abbau der Stärke unterstützt und damit beschleunigt.
Bei konventionellen Rührwerken, Injektoren oder Inline-Blendern kommen die Partikel jedoch immer als kompakte Schüttung mit der Flüssigkeit in Kontakt. Das führt zu stabilen, teilbenetzten Agglomeraten, die nur noch schwer abgebaut werden können. Nachdispergieren kostet dann nicht nur sehr viel Zeit und Energie, auf diese Weise wird auch die im Proteinpulver enthaltene Luft zu unerwünschtem Mikroschaum dispergiert. Schaum und Agglomerate bereiten Probleme im Wärmeübertrager. Ein Großteil der nicht ausreichend aufgeschlossenen Proteine wird am Ende ungenutzt abfiltriert.
Vakuumexpansion separiert die PulverpartikelIm Gegensatz zu diesen konventionellen Mischverfahren nutzt die Inline-Dispergiermaschine Conti-TDS von ystral zur Separierung der Pulverpartikel das Prinzip der Vakuumexpansion: Hierbei wird die im Pulver enthaltene Luft um ein Vielfaches expandiert, wodurch sich die Abstände zwischen den Partikeln stark vergrößern. Pulver und Flüssigkeit kommen bei der Conti-TDS erst in der Benetzungskammer miteinander in Kontakt – unter maximalem Vakuum und maximaler Turbulenz. In der Dispergierzone haben die Pulerpartikel den größtmöglichen Abstand zueinander und können so vollständig einzeln benetzt und dispergiert werden.
Durch die intensive Dispergierung werden im Vergleich zu konventionellen Verfahren deutlich weniger Enzyme für den Abbau der Stärke benötigt. Die zuvor im Pulver enthaltene Luft wird durch die Zentrifugalwirkung des schnell laufenden Rotors von der wesentlich schwereren Dispersion abgetrennt und koalesziert zu großen Luftblasen, die im Prozessbehälter leicht entweichen können. Auf diese Weise wird der bei der Proteinverarbeitung normalerweise auftretende Schaum nahezu vollständig vermieden.
Hochkonzentrierte Vormischung verkürzt die ProzesszeitDie Prozessoptionen zur Pulververarbeitung sind bei den Misch- und Dispergier-maschinen von ystral vielfältig. So können etwa allergene und nicht-allergene Pulver auf vollständig getrennten Wegen eingesaugt und in getrennten Flüssigkeitskreisläufen verarbeitet werden. Eine Conti-TDS kann einfach in bestehende Prozessanlagen integriert und mit mehreren Prozessbehältern oder Lagertanks verrohrt werden. Der Dispergierer kann zudem entweder inline oder im Kreislauf an großen Prozessbehältern betrieben werden. Oder er kann in einem kleinen Batch eine hochkonzentrierte Vormischung erzeugen, die anschließend in den Hauptprozessbehältern verdünnt wird.
Die letztgenannte Option kommt bei einem Hersteller von Haferdrinks zum Einsatz, für den ystral zwei komplette Prozessanlagen realisiert hat. Die Pulver werden dabei über insgesamt drei Sackaufgaben und zwei Big-Bag-Stationen zugeführt. In einem kleinen Prozessbehälter mit einem Fassungsvermögen von 6.500 l wird mit der im Kreislauf angeschlossenen ystral Conti-TDS eine hochkonzentrierte Pulverdispersion hergestellt. Das dauert etwa 15 min. Diese Lösung wird anschließend in einen 60.000 l fassenden Hauptprozessbehälter gepumpt, noch während dieser mit Wasser befüllt wird.
Sowohl im kleinen als auch im großen Prozessbehälter ist dabei ein ystral-Leitstrahlmischer verbaut, der den gesamten Behälterinhalt permanent homogen durchmischt. Somit ist der gesamte Mischprozess bereits beendet, wenn der große Prozessbehälter vollständig gefüllt ist. Die jetzt beginnende Prozesszeit für Pulvereintrag und Dispergierung wollte der Anwender von zwei Stunden auf eine Stunde verkürzen. Tatsächlich ist der Prozess jetzt bereits abgeschlossen.
Prozesse spezifisch anpassenJe nach Pulvertyp gibt es einige Besonderheiten zu beachten. Für die Verarbeitung von Hafermehl – wie auch bei Soja oder Reis – reicht die Dispergierung mit einer inline betriebenen Conti-TDS aus. Andere proteinhaltige Pulver – wie etwa Kokos- oder einige Erbsenmehle – erfordern eine zusätzliche Dispergierung unter hoher Scherung, um das Produkt vollständig aufzuschließen. In diesen Fällen setzt ystral zusätzlich zur Conti-TDS einen Z-Inline-Dispergierer ein, der das Proteinpulver nachdispergiert, während über die Conti-TDS zeitgleich der gesamte Pulvereintrag erfolgt. Der Z-Inline-Dispergierer kann dabei entweder parallel in einem separaten Kreislauf oder in Reihe mit der Conti-TDS betrieben werden.
Eine Erweiterung der Anlage ist problemlos möglich, da die Konzentrat-Herstellung mit beliebig vielen großen Prozessbehältern betrieben werden kann.
Magazin: Verfahrenstechnik
Ausgabe: 04/2022
Autor: Dr. Hans-Joachim Jacob
Über den Autor
Dr. Jacob ist Senior Expert Process and Applications bei ystral. Der studierte Maschinenbauer trat bereits 1990 als Verfahrenstechniker in das Unternehmen ein und betreut seitdem unsere Key - Accounts weltweit. Seine berufliche Leidenschaft ist dabei das Mischen und die Dispersion von Pulvern in Flüssigkeiten. Hierbei konnte er in seiner langjährigen Karriere, Erfahrungen im Umgang mit mehreren tausenden Pulvern aus den verschiedensten Branchen sammeln und teilt seine Expertise gerne mit Herzblut in diversen Fachartikeln, Online-Seminaren oder Vorträgen.
Über ystral
Mit unserem großen Wissen und unserer langjährigen Erfahrung in der Verfahrens- und Anwendungstechnik
bieten wir branchenübergreifend gezielte, kundenorientierte Lösungen an
– vom Laborgerät bis zur Produktionsmaschine oder -anlage.
Gemeinsam mit Ihnen erarbeiten wir Konzepte und Umsetzungen für Ihre individuellen Anwendungen, die für Sie
einen sofort realisierbaren und quantifizierbaren Mehrwert bedeuten.