10/2019 | FACHARTIKEL
Mehr Sicherheit, weniger Zeitaufwand
Effektives Einbringen von Pulvern in Lösemittel
Bei der Produktion von Kunststoffen werden zahlreiche Pulver verarbeitet. Diese haben unterschiedlichste Funktionen: Sie dienen als Pigment oder Flammschutzmittel, zum Erhöhen der Leitfähigkeit oder zum Reduzieren des Gewichts. Um ihrer Funktion gerecht zu werden, müssen diese Pulver vollständig benetzt und optimal dispergiert werden.
Traditionelle Verfahren zur Dispergierung von Pulvern auf Basis von Dissolvern oder Rührwerken stoßen schnell an ihre Grenzen. Aber auch die Sicherheitsrisiken, die mit dem einfachen Lösen von Harzen in Form von Pulvern, Granulaten oder Chips in Lösemitteln verbunden sind, müssen effektiv bewältigt werden. Besonders gefährlich wird es dann, wenn ein Pulver von oben in einen Prozessbehälter mit lösemittelhaltigen Medien eindosiert wird. Da dabei die Prozesstemperatur meist oberhalb des Flammpunktes liegt, besteht ein Explosionsrisiko durch die entzündlichen Gase und Dämpfe oberhalb der Flüssigkeit. Unmittelbar an der Flüssigkeitsoberfläche ist die Lösemittelkonzentration für eine Zündung zu hoch. In einiger Entfernung ist die Konzentration zu niedrig, doch genau dazwischen liegt eine Zone, in der die Lösemittelkonzentration zwischen oberer und unterer Explosionsgrenze liegt. In dieser Zone spricht man von einem zündfähigen Gemisch. Und das ist genau der kritische Bereich, durch den das Pulver geschüttet wird. Das Pulver muss also bei Zugabe in einen Prozessbehälter in jedem Fall durch die Zone hindurch, in welcher das Gas-Luft-Gemisch zündfähig ist.
Um eine Explosion auszulösen, braucht es nur noch eine Zündquelle mit ausreichend Energie. Diese Zündquelle könnte bereits das fließende Pulver selbst oder die gerührte Flüssigkeit sein, sofern diese nicht ausreichend elektrisch leitfähig ist. Auch eine Inertisierung des Prozessbehälters kann das Risiko nicht zuverlässig ausschließen. Pulver enthält selbst sehr viel Luft. Bei schweren Pulvern wie Titandioxid und Calciumcarbonat sind das etwa 75 %, bei leichten Pulvern wie hochdispersen Kieselsäuren sind das bis zu 98 % Luftanteil. Alle anderen Pulver oder Harzgranulate liegen dazwischen. Und dieser Luftanteil macht die Inertisierung zumindest teilweise wirkungslos.
Die Risiken bei Zugabe von oben auf die lösemittelhaltige Flüssigkeit können allerdings sehr einfach vermieden werden, indem das Pulver nicht von oben oder gar nicht erst im Behälter zugegeben wird.
Effektives Eindispergieren
Für diese Anwendungen benötigt man ein effektives Verfahren zum Eindispergieren der Pulver: Ein System, das Pulverpartikel sowohl in flüssigen als auch in zähfließenden Medien vollständig benetzen und optimal dispergieren kann und dabei nicht durch die Lösemitteldämpfe oberhalb der Flüssigkeit transportiert. TDS-Maschinen sind Systeme, mit denen man Pulver in Flüssigkeiten unter Nutzung eines intern erzeugten Vakuums einsaugt, benetzt und agglomeratfrei in der Flüssigkeit dispergiert. Die Maschinen gibt es in verschiedenen Varianten, für den Pulvereintrag in der Kunststoffherstellung ist vor allem die Inline-Version dieser Maschine, die Conti-TDS, von Bedeutung. Mit dieser Maschine können Pulver direkt ab Sack, BigBag, Pulvertrichter oder Silo staub- und verlustfrei eingesaugt und in der Flüssigkeit benetzt werden.
Die Conti-TDS wird außerhalb des Behälters installiert und ist mit diesem über Rohrleitungen im Kreislauf verbunden. Kein Pulver wird auf die Flüssigkeitsoberfläche geschüttet, kein Sack muss auf den Behälter gehoben werden, kein Staub klebt an der Behälterwand, kein Pulver wird auf die Flüssigkeitsoberfläche in Gegenwart von Lösemitteldämpfen entleert.
Pulver und Flüssigkeit gelangen über vollständig getrennte Wege in die Maschine und kommen erst in der Dispergierzone miteinander in Kontakt. Dort erfolgt die Dispergierung unter massiver Scherwirkung und Vakuum. Das Pulver kommt also nicht mit Lösemitteldämpfen oberhalb der Flüssigkeit in Berührung, es wird immer direkt in die Flüssigkeit eingesaugt. So wird das Risiko beherrschbar gemacht. In dem mittels Saugförderung eingesaugten und mit hoher Geschwindigkeit fließenden Pulver befinden sich alle Partikel im Flug. Bei der Saugförderung nimmt das Vakuum im Pulver vom Ort der Zugabe bis hin in die Zone maximalen Vakuums stetig zu. In entsprechendem Maße vergrößern sich die Abstände der einzelnen Partikel auf diesem Weg.
Direkt in der Flüssigkeit
Die Conti-TDS erzeugt ihre Saugwirkung direkt in der Flüssigkeit. Das maximale Vakuum herrscht genau in der Benetzungs und Dispergierzone. Die Abstände der einzelnen Partikel sind bei Eintritt in diese Zone am größten. Für diesen Effekt wird keine zusätzliche Förder oder Fluidisierungsluft benötigt, lediglich die im Pulver vorhandene Luft dehnt sich aus – und komprimiert nach der Dispergierung wieder. Die Partikel werden vereinzelt und vollständig benetzt, Pseudobenetzung ist ausgeschlossen. Es lassen sich Dispersionsqualitäten und Feststoffkonzentrationen herstellen, die durch Einrühren über die Flüssigkeitsoberfläche oder mit Dissolvern niemals erreichbar sind.
Nach beendetem Pulvereintrag wird der Pulvereinlass geschlossen. Die Conti-TDS kann dann als normaler InlineDispergierer weiter benutzt werden, bis die geforderte Partikelgrößenverteilung, Homogenität oder Konsistenz erreicht sind. In dieser Phase arbeitet die Maschine mit hohem Durchsatz und vielen Passagen über die High-Shear-Zone. Die Conti-TDS fördert die Flüssigkeit, ähnlich wie eine Pumpe, selbstständig im Kreis. Oft wird die Maschine an zwei oder mehrere Behälter angeschlossen.
Die Conti-TDS hat einen weiteren positiven Effekt: Sie beschleunigt alle Prozesse. Die massivsten Zeiteinsparungen werden beim Lösen von Harzpulvern oder granulaten erzielt. Diese werden bereits beim ersten Kontakt mit dem Lösemittel im Scherfeld der Dispergierzone vollständig benetzt.

Magazin: Verfahrenstechnik
Ausgabe: 10/2019
Autor: Dr. Hans-Joachim Jacob

Über den Autor
Dr. Jacob ist Senior Expert Process and Applications bei ystral. Der studierte Maschinenbauer trat bereits 1990 als Verfahrenstechniker in das Unternehmen ein und betreut seitdem unsere Key - Accounts weltweit. Seine berufliche Leidenschaft ist dabei das Mischen und die Dispersion von Pulvern in Flüssigkeiten. Hierbei konnte er in seiner langjährigen Karriere, Erfahrungen im Umgang mit mehreren tausenden Pulvern aus den verschiedensten Branchen sammeln und teilt seine Expertise gerne mit Herzblut in diversen Fachartikeln, Online-Seminaren oder Vorträgen.
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