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09/2022 | FACHARTIKEL

Drei auf einen Streich: effizienter, schneller, günstiger

Für Hersteller von Farben und Lacken wird vor dem Hintergrund stark steigender Energie-und Rohstoffpreise eine effizientere Produktion zu einem wichtigen Faktor für die Sicherung der Wettbewerbsfähigkeit. Gegenüber dem in der Lack- und Farbherstellung weit verbreiteten Dissolver erreichen moderne Technologien dabei enorme Verbesserungen.

ystral Conti-TDS In der Conti-TDS gelangen Flüssigkeit und Pulver auf getrennten Wegen in die Benetzungszone

Gegenüber dem in der Lack- und Farbherstellung weit verbreiteten Dissolver erreichen moderne Technologien dabei enorme Verbesserungen: Je nach Anwendung können der Energiebedarf, die Fertigungszeiten und Produktionskosten um bis zu 90 % und mehr reduziert werden.

In der Verfahrenstechnik finden sehr unterschiedliche Prozessschritte in einem Behälter statt – gleichzeitig und häufig auch mit demselben Werkzeug. Dies ist auch bei der in der Farben- und Lackherstellung gängigen Dissolvertechnologie der Fall, die bis auf die 1930er-Jahre zurückgeht und sich in den vergangenen Jahrzehnten nur wenig verändert hat. Die Dissolverscheibe dient gleichzeitig dem Mischen, Dispergieren und dem Eintragen pulverförmiger Rohstoffe in die Flüssigkeit, wobei sich die Leistung der Maschine auf den gesamten Behälterinhalt verteilt. Die Scheibe erzeugt nur eine sehr geringe Scherwirkung und benötigt deshalb zum Dispergieren hohe Viskositäten, was einem effektiven Pulvereintrag entgegenwirkt. Das Prinzip des Scheibenrührers behindert die vertikale Durchmischung. Der Pulvereintrag mittels Trombe bringt sehr viel Luft ins Produkt, was nicht nur die Dispergier-wirkung reduziert, sondern auch Additive erforderlich macht, die später im fertigen Produkt negative Wirkung haben. Die Dispergierergebnisse schwanken sehr stark. All dies macht eine Produktion auf Basis der Dissolvertechnologie energieaufwendig, langsam und ineffizient.

Der entscheidende Hebel, um die Effizienz bei der Herstellung von Farben und Lacken zu erhöhen, den Energiebedarf zu senken sowie Produktionskosten und Fertigungszeiten zu reduzieren, ist eine massive Erhöhung der Intensität der entscheidenden Dispergier- und Pulverbenetzungsprozesse um mehrere Größenordnungen. Allerdings erfolgt diese intensive Dispergierung nicht mehr im gesamten Behälter, sondern außerhalb, auf sehr kleinem Raum und in kürzester Zeit im Kreislaufprozess. Im Behälter erfolgt gleichzeitig eine permanente homogene Durchmischung. Der Inlinedispergierer ist dabei über Rohrleitungen im Kreislauf mit dem Prozessbehälter, in welchem ein effektiver Mischer verbaut ist, verbunden.

Vermeidung von Agglomeraten
Ein zentrales Problem beim Einsatz konventioneller Technologien in der Farben- und Lackherstellung sind Agglomerate. Pulver liegen in den allermeisten Fällen agglomeriert vor – und je feiner ein Pulver ist, desto stärker neigt es zum Agglomerieren. Werden diese Agglomerate nicht bereits beim Pulvereintrag aufgebrochen oder werden sogar weitere Agglomerate bei der Zugabe in die Flüssigkeit gebildet, dann müssen diese Agglomerate im Nachgang durch langes und aufwendiges Nachdispergieren oder Mahlen abgebaut werden.

Beim Dissolver kommen die Pulverpartikel nicht vereinzelt, sondern als kompakte Schüttung mit der Flüssigkeit in Kontakt. Die Flüssigkeitsoberfläche, die dem Pulver für die Benetzung zur Verfügung steht, ist um Größenordnungen kleiner als die zu benetzende Partikeloberfläche. Pulver haben spezifische Oberflächen zwischen eintausend und einigen hunderttausend Quadratmetern pro Kilogramm. Beim Dissolver stehen zur Benetzung nur etwa 100 Quadratmeter pro Minute zur Verfügung. Deshalb werden die Partikel nicht sofort vollständig benetzt und es entstehen Agglomerate. Ein Nachdispergieren zum Abbau der Agglomerate macht Fertigungsprozesse nicht nur energie- und zeitintensiv, sondern mindert auch die Produktqualität: Beispielsweise werden dadurch Polymere zerstört und Harze oder Bindemittel überhitzt. Die geforderten Feinheiten können bei einem Dissolverprozess häufig nur mit einer anschließenden Vermahlung erreicht werden.

Moderne Inline-Dispergiertechnologien auf Basis der Vakuumexpansion beim Pulvereintrag erzielen demgegenüber eine vollständige Desagglomeration und Benetzung der Pulverpartikel innerhalb von Mikrosekunden. Mühlen werden nur noch im Ausnahmefall benötigt. Bei der Vakuumexpansionsmethode wird die im Pulver enthaltene Luft durch das Saugvakuum direkt in der Benetzungs- und Dispergierzone um ein Vielfaches expandiert, wodurch sich die Abstände zwischen den Partikeln enorm vergrößern. Die Partikel werden vereinzelt und fluidisiert. Die Maschine erzeugt eine spezifische Flüssigkeits-oberfläche von etwa einer Million Quadratmetern pro Minute. Das ist mehr als die zu benetzende Pulveroberfläche und etwa 10.000-mal so viel wie bei einem Dissolver. Pulver und Flüssigkeit kommen erst in der Benetzungskammer miteinander in Kontakt – unter maximalem Vakuum und maximaler Turbulenz. In der Dispergierzone haben die Pulverpartikel den größtmöglichen Abstand zueinander und können so vollständig einzeln benetzt und dispergiert werden.

Bei einer neu entwickelten Inlinedispergiermaschine konzentrieren sich die Prozesse des Benetzens und Dispergierens in einer  Dispergierzone mit einem effektiven Volumen von nur etwa einem viertel Liter. Verglichen mit einem im Behälter betriebenen Dissolver erzeugt ein solcher Inline-Dispergierer eine etwa 30.000-fach höhere volumenspezifische Leistung. Diese konzentrierte Leistung ist für den Dispergiererfolg entscheidend. Über ein Rotor-Stator-System baut der Inlinedispergierer zugleich 1.000-fach höhere Scherkräfte auf. Die Verweilzeit ist extrem kurz, sodass auch nur ein Bruchteil der Energie im Vergleich zum Dissolver benötigt wird.

Keine Tromben, kein zusätzlicher Lufteintrag
Ein weiteres Problem der Dissolvertechnologie ist der Lufteintrag. Dieser erfolgt zum einen durch die Pulverstoffe selbst, denn Pulver enthalten sehr viel Luft. Selbst schwere Pulver, wie Titandioxid, kommen auf einen Volumenanteil von über 75 % Luft. Bei leichten Pulvern liegt der Anteil bei über 90 %. Wird diese Luft nicht vollständig durch Flüssigkeit substituiert und abgeschieden, sondern zusammen mit den Pulverpartikeln dispergiert, führt dies zu Mikroschaum – dies ist bei einem Dissolverprozess der Fall.

Wird das Pulver von oben in einen offenen Behälter zugegeben, entstehen zudem Tromben, über die große Mengen zusätzlicher Luft eingetragen werden. Luft ist elastisch und behindert dadurch ein effektives Dispergieren. Die Leistung einer Maschine, die für das Komprimieren, Ausdehnen und Zerteilen von Luftbläschen verwendet wird, steht für das Dispergieren und Mischen nicht zur Verfügung.

Beim Einsatz moderner Technologien in der Farben- und Lackher-stellung wird das Pulver deswegen extern im Kreislauf direkt in die Flüssigkeit eingesaugt. Es entstehen keine Tromben und es erfolgt während des gesamten Prozesses keinerlei zusätzlicher Lufteintrag. Bei einer Pulverbenetzung im Vakuumexpansionsverfahren mit einem Rotor-Stator-System wird die im Pulver enthaltene Luft durch die Zentrifugalwirkung des schnell laufenden Rotors von der deutlich schwereren Dispersion abgetrennt und koalesziert zu großen Luftblasen. Diese werden dann zusammen mit dem Flüssigkeitsstrom zum Prozessbehälter gefördert, wo sie leicht entweichen können.

Turbulente Mikrovermischung und nahezu turbulenzfreie Makrovermischung
Ein konventionelles Rührwerk kann zwar bei minimalem Leistungsbedarf aufgrund einer nahezu turbulenzfreien laminaren Strömung im Behälter mit geringer elektrischer Leistung und einem kleinen Motor die komplette Behälterflüssigkeit bewegen. Für den Energiebedarf eines Fertigungsprozesses ist jedoch nicht nur die von einer Maschine erbrachte elektrische Leistung, sondern auch die benötigte Prozesszeit relevant – und diese ist bei einer konventionellen Technologie sehr lang. Moderne Leitstrahlmischer setzen demgegenüber auf eine Prozessintensivierung und eine lokale Konzentration der Maschinenleistung, indem sie eine turbulente Mikromischzone in ihrem Mischkopf mit einer nahezu turbulenzfreien vertikalen Makrovermischung des gesamten Behälterinhalts kombinieren. Aufgrund der in dieser Mikromischzone erzeugten Turbulenz benötigen solche Mischer zunächst mehr Leistung als ein einfacher konventioneller Rührer, der keine Turbulenz erzeugt. Weil die Mischzeiten bei einem Leitstrahlmischer jedoch je nach Produkt um bis zu 90 % reduziert werden, beträgt der Energiebedarf trotz zwei- bis dreifach höherer Leistung weniger als ein Drittel. Anders als bei der Verwendung eines herkömmlichen Rührwerks ist das Produkt am Ende des Mischprozesses dann auch tatsächlich vollständig homogen durchmischt – ohne ungemischte Zonen, ohne Sedimente – und es werden unabhängig von der Batchgröße und dem Füllstand im Behälter gleichbleibende Ergebnisse erzielt. Leitstrahlmischer können von oben, von unten oder von der Seite in einen Behälter eingebaut werden.

Im Durchschnitt sparen Prozesse mit Inlinedispergierern zum Pulvereintrag und Leitstrahlmischern etwa zwei Drittel der bisher benötigten Energie. Bei der Herstellung von Pigmentpasten, bei denen auf den Einsatz einer Mühle verzichtet werden kann, fallen die Einsparungen sogar noch deutlich höher aus. So liegt bei weißer Pigmentpaste die Energieeinsparung gegenüber einem konventionellen Prozess bei 85  %, bei schwarzer Pigmentpaste wird der Energiebedarf sogar um 90 % reduziert.

Effizientere Rohstoffausnutzung
Moderne Technologien eröffnen neben einem deutlich verringerten Energiebedarf noch weitere Potenziale zur Kostensenkung – insbesondere im Hinblick auf eine effizientere Ausnutzung der Rohstoffe. So können im Vakuumexpansionsverfahren Pulverstoffe staub- und verlustfrei verarbeitet werden, während bei einer Zugabe des Pulvers über eine Schütte mit Absauganlage immer ein Teil der Feststoffe verloren geht. Zudem kann aufgrund des besseren Partikelaufschlusses die Menge der eingesetzten Rohstoffe reduziert werden. Bei teuren Rohstoffen, wie Titandioxid, sind auf diese Weise erhebliche Kosteneinsparungen möglich: Bei Wandfarben kann die Titandioxidmenge bei gleicher Farbstärke sowie gleichem Deckvermögen um bis zu 8  % reduziert werden, bei Druckfarben liegen die Einsparungen sogar noch höher.

Hinzu kommt, dass Pulverstoffe beim Einsatz moderner Technologien in einer für das Produkt optimalen Reihenfolge benetzt und dispergiert werden können. Bei einem Dissolverprozess muss aufgrund der dabei erforderlichen hohen Viskosität zunächst einmal das Verdickungsmittel eingetragen werden. Hierdurch wird nicht nur die Benetzung sehr feiner Pulver behindert. Weil Verdickungsmittel im Lack- und Farbbereich häufig scherempfindlich sind, werden zu Beginn des Prozesses eingetragene Verdicker während des Prozesses unkontrolliert abge-baut, weshalb das Verdickungsmittel überkonzentriert werden muss. Bei einer Inlinedispergierung per Vakuumexpansion ist ein Pulvereintrag in Flüssigkeiten hingegen sowohl bei hohen als auch bei niedrigen Viskositäten möglich – wobei hier niedrige Viskositäten von Vorteil sind, weil dadurch der Prozess deutlich beschleunigt wird. Das Verdickungsmittel wird bei einem Inlinedispergierprozess erst am Ende hinzugegeben.

Einsparung von Additiven, Reduzierung von Bioziden, vereinfachte Reinigung
Netzmittel, die im Dissolverprozess für eine Verringerung der Oberflächenspannung eingesetzt werden, können bei einer Inlinedispergierung unter Vakuum komplett weggelassen werden. Mit Entlüftern und Entschäumern können zudem zwei weitere Additive reduziert werden, die bei einem konventionellen Dissolverprozess eingesetzt werden müssen.

Weil in einem geschlossenen, sauberen Prozess mit einem Pulvereintrag unterhalb des Flüssigkeitsspiegels die Keimbelastung im Produkt drastisch reduziert wird, können bei der Herstellung von Farben und Lacken auch Biozide in erheblichem Umfang eingespart werden. Weitere Kosteneinsparungen ergeben sich bei der Reinigung. Moderne Maschinenkonzepte folgen den Regeln des Hygienic Designs und ermöglichen dadurch eine leichte Reinigung mit geringem Reinigungsmittelbedarf.

Reduzierung der Produktionskosten und Batchzeiten
In Summe führen moderne Technologien in der Farb- und Lackherstellung zu enormen wirtschaftlichen Vorteilen. Die Fertigungszeiten werden bei einem Inlinedispergierer, der im Kreislauf an einem Prozessbehälter mit verbautem Leitstrahlmischer betrieben wird, gegenüber konventionellen Technologien drastisch verkürzt: Harze können in 1/50 der Zeit gelöst und die Produktionszeiten insgesamt um mehr als 80 % gesenkt werden. Bei der Herstellung von Pigmentpasten, bei denen auf eine Mühle verzichtet werden kann, liegen die Fertigungszeiten sogar noch deutlich darunter: Bei gelben Pigmentpasten werden Zeiteinsparungen von 88 % erreicht, bei weißen und schwarzen Pigment-pasten ist sogar eine Batchzeitverkürzung um 94 % möglich. Auf der Kostenseite ist eine Reduzierung der Produktionskosten um 90 % und mehr möglich. Bei der Herstellung von Automobillacken sinken die Kosten mit den neuen Technologien auf unter 8 %, bei lösemittelbasierten Flexodruckfarben sowie Primern und Füllern zur Möbelherstellung sogar auf unter 5 %.

Vor dem Hintergrund stark gestiegener Energie- und Rohstoffpreise und einem intensiven Wettbewerb in der Lack- und Farbindustrie geraten Hersteller zunehmend unter Druck, die traditionelle Dissolvertechnologie durch moderne Technologien auszutauschen – auch deshalb, weil hier jenseits eines einfachen Kreislaufprozesses noch weitere Effizienzgewinne möglich sind: So kann bei Twin-Tank-Konzepten, bei denen ein Inline-Dispergierer statt an einem im Wechsel an zwei identischen Prozessbehältern betrieben wird, die Anlageneffektivität um 60–100 % gesteigert werden, während bei einer Slurry-Fertigung und Inline-Prozessen ebenfalls enorme Rationalisierungspotenziale erschlossen werden können.


Artikelvorschau "Drei auf einen Streich"

Magazin: Farbe und Lack
Ausgabe: 09/2022
Autor: Dr. Hans-Joachim Jacob

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Dr. Jacob ist Senior Expert Process and Applications bei ystral. Der studierte Maschinenbauer trat bereits 1990 als Verfahrenstechniker in das Unternehmen ein und betreut seitdem unsere Key - Accounts weltweit. Seine berufliche Leidenschaft ist dabei das Mischen und die Dispersion von Pulvern in Flüssigkeiten. Hierbei konnte er in seiner langjährigen Karriere, Erfahrungen im Umgang mit mehreren tausenden Pulvern aus den verschiedensten Branchen sammeln und teilt seine Expertise gerne mit Herzblut in diversen Fachartikeln, Online-Seminaren oder Vorträgen.

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