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07/2019 | FACHARTIKEL

Pulververarbeitung unter Staub- und Gas-Ex-Bedingungen

Bei der Verarbeitung von Pulvern treten häufig explosionsfähige Stäube auf. Damit es zu keiner Staubexplosion kommt, müssen konkrete Maßnahmen getroffen werden, die weit über das Vermeiden elektrischer Zündfunken hinausgehen. In fließenden Pulvern kommt es aufgrund statischer Elektrizität zu Ladungstrennungen. Der Ladungsausgleich erzeugt Funken, die gefährlich werden können. Doch dieses Problem ist beherrschbar: Mit einem System, welches das Pulver staubfrei unter kontrollierten Bedingungen in den Prozess einsaugt, damit es sicher weiterverarbeitet werden kann.

ystral TDS-Saugmischer Der TDS-Saugmischer erzeugt in seinem Mischkopf ein Vakuum, mit dem er Pulver direkt unter die Flüssigkeitsoberfläche saugt

Wenn in der industriellen Fertigung mit Pulvern gearbeitet wird, gibt es in der Regel auch Staub. In vielen Betrieben ist das ein Sicherheitsproblem, denn bei allen organischen oder organisch beschichteten Pulvern sowie bei einigen Metallpulvern ist dieser Staub prinzipiell brennbar und in der entsprechenden Konzentration auch explosionsfähig, ein Risiko, das man nicht vernachlässigen darf. Allerdings besteht dieses Risiko nicht nur in der chemischen Industrie. Im Gegenteil: Weitaus mehr brennbare Pulver werden bei der Herstellung von Lebensmitteln, Pharma- oder Kosmetikprodukten verarbeitet. Doch wie groß ist dieses Risiko? Und wie kann man die Gefahr eindämmen?

Wo liegt die Gefahr?
Um zu beurteilen, wie hoch das Risiko ist, muss man sich die konkrete Situation anschauen. Denn ob es zu einer Explosion kommen kann, hängt davon ab, wie hoch die Staubkonzentration der brennbaren oder staubexplosionsfä- higen Pulvern in der Luft ist. Liegt diese Konzentration zwischen oberer und unterer Explosionsgrenze, dann spricht man von einem zündfähigen Staub-Luft-Gemisch. Ein solches zündfähiges Gemisch kann allerdings sogar mit einem nicht brennbaren und nicht explosionsfähigen Pulver entstehen, und zwar dann, wenn das Pulver in einem hybriden Gemisch unter Anwesenheit von brennbaren Gasen oder Dämpfen verarbeitet wird. In diesem Fall bewirkt die explosionsfähige Gas-Atmosphäre zwischen den Pulverpartikeln das Risiko. In diesem Fall ist es auch egal, wie hoch die Staubkonzentration ist. Besonders gefährlich wird es immer dann, wenn ein Pulver — egal ob brennbar oder nicht — von oben in einen Prozessbehälter mit „brennbaren Flüssigkeiten" geschüttet wird. Der Fachmann weiß natürlich: es gibt keine brennbaren Flüssigkeiten, denn tatsächlich sind nur die Gase und Dämpfe oberhalb der Flüssigkeit entzündlich.

Und das ist genau der kritische Bereich, durch den das Pulver geschüttet wird. Das Pulver muss in jedem Fall durch die Zone, in welcher das Gas-Luft-Gemisch zündfähig ist. Letztlich fehlt nur noch Eines, um eine Explosion auszulösen: eine Zündquelle mit ausreichender Zündenergie. Und diese Zündquelle könnte bereits das fließende Pulver selbst sein.

Wie kommt es zur Zündung?
Die erforderliche Mindestzündenergie (MZE) ist ein Produktparameter des Pulvers oder des brennbaren Gases, gemessen in Millijoule (mJ). Oft reicht schon eine winzige Energie, um das hybride Gemisch aus Pulver, Dämpfen und Gasen oder die Staubwolke selbst zu entzünden. Häufig wird angenommen, dass die Zündung nur durch Funken in elektrischen Geräten oder an zu heißen Oberflächen erfolgt. Eine unterschätzte und oft übersehene Gefahrenquelle ist das Risiko einer elektrischen Entladung in einem fließenden Pulver. Unter den beschriebenen Produktionsbedingungen ist dieses Risiko fast immer gegeben. Pulver lädt sich auf, wenn es aus einem Sack oder Trichter oder aber ein fach durch eine Rohrleitung strömt. Dieser Effekt ist eindrucksvoll zu spüren, wenn man mit den Händen in einen Trichter greift, aus dem gerade ein Wachspulver fließt. An jeder einzelnen Fingerspitze spürt man kräftige Funkenentladungen. Riskant ist also bereits jegliches Handling nicht leitfähiger Pulver sowie das Ausschütten von Pulver aus nicht elektrisch leitfähigen oder ableitfähigen Gebinden. Beim Transport nicht leitfähiger Pulver sind erhöhte Anforderungen an die elektrische Leitfähigkeit der Gebinde und der durchströmten Rohre zu beachten. Beim manuellen Handling ist entsprechend ableitfähige Arbeitsschutzkleidung zu tragem Besonders riskant ist die Verwendung ungeeigneter Förderschläuche. Genau auf diesem Gebiet hat sich in den letzten Jahren in Sachen Sicherheit sehr viel getan. Schläuche, die vor ein paar Jahren noch als geeignet galten, dürfen heute nicht mehr verwendet werden. Was vielen Anwendern und auch Armaturenherstellern gar nicht bewusst ist, ist das Risiko, welches von durchströmten Ventilen im Pulverweg ausgeht, bei denen die Kugel oder Klappe elektrisch isoliert von der Rohrleitung montiert ist. Strömendes Pulver lädt diese Teile unterschiedlich auf und es entstehen Funken.

Wie man mit intelligenter Technik Staubwolken vermeidet
Zur Sicherheit in der Produktion muss es also eine oberste Priorität sein, alle mit Staubentwicklung verbundenen Risiken zu vermeiden. Außerhalb einer pulververarbeitenden Anlage reicht eine geeignete und effiziente Absauganlage, um eine solche kritische Staubkonzentration zuverlässig zu vermeiden. Etwas diffiziler ist es, wenn das Pulver von oben in einen Prozessbehälter gegeben wird. Egal ob das Pulver zum Beispiel über eine Förder- schnecke in den Behälter dosiert oder direkt aus Säcken oder Big Bags geschüttet wird, im Innern des Behälters entsteht schnell eine kritische Konzentration. Die Größe des explosionsfähigen Volumens hängt unter anderem von der Geschwindigkeit der Zugabe und der Staubentwicklung des Pulvers ab. Das macht diesen Faktor schwer kalkulierbar. Das heißt auch: Das Risiko ist nicht immer zuverlässig kontrollierbar.

Die Lösung ist eine Änderung der Prozesstechnik. Das Pulver darf nicht von oben auf die mit ihm zu vermengende Flüssigkeit gegeben werden. Es muss vielmehr direkt in die Flüssigkeit eingesaugt werden. Möglich ist dies mit dem Prinzip des TDS-Saugmischers. Dabei wird ein lokales Vakuum in der Flüssigkeit erzeugt. Der Saugmischer wird direkt im Behälter eingebaut. Er mischt die Flüssigkeit und erzeugt gleichzeitig das Saugvakuum in seinem Mischkopf. Mit diesem Vakuum saugt er das Pulver direkt unter die Flüssigkeitsoberfläche in den Behälter Vakuumbehälter oder Vakuumpumpen sind also nicht erforderlich. Dieses Prinzip lässt sich aber auch außerhalb des Mischbehälters anwenden. Dabei wird die Flüssigkeit im Kreis gefördert und das Pulver staubfrei eingesaugt . Die dafür verwendete Inline-TDS Maschine kann auch mit wesentlich höheren Viskositäten und unterschiedlichen Behältergrößen oder Füllständen arbeiten. Sie kann entfernt vom Prozessbehälter aufgestellt und auch sogar gleichzeitig mit mehreren Behältern verbunden werden. Sie arbeitet unabhängig von der Behältergröße und dessen Füllstand und sie kann den Pulvereintrag bereits bei niedrigen Startfüllständen beginnen. Oberhalb der Flüssigkeit gibt es keine Staubwolke im Behälter. Das ist nicht nur aus sicherheitstechnischen Gründen, sondern auch aus Sicht der Hygiene und Reinigung ein enormer Vorteil. Bei der Verarbeitung von Pulvern in „brennbare Flüssigkeiten" gibt es keinen Kontakt des Pulvers mit zündfähigen Gasen oder Dämpfen oberhalb der Flüssigkeit, da das Pulver direkt in die Flüssigkeit gesaugt wird. Die Maschinen sind nach allen Staub- und Gas-Ex Richtlinien konstruiert, zertifiziert und verwenden ausschließlich zugelassene und für Staub- und Gas-Ex geeignete Komponenten. Die Systeme gibt es in verschiedenen ATEX-Klassifikationen, natürlich auch in IEC-Ex und nach NEC.

Verarbeitung von Staub-Ex-Pulvern in nicht explosionsgefährdeten Bereichen
Eine spezielle Ex-Klassifikation richtet sich an alle Anwender, welche Staub-Ex- Pulver in nicht als Ex-Zone klassifizierten Bereichen verarbeiten. Dies kommt in der chemischen Industrie vor, ist vor allem aber in der Herstellung von Lebensmitteln, Kosmetika und pharmazeutischen Produkten üblich. Dort werden unzählige organische Pulver verarbeitet, welche potenziell Staub-Ex gefährdend sind.

Der Anwender muss diese verarbeiten, will oder kann aber dafür keine explizit ausgewiesene Staub-Ex-Zone einrichten. Das Risiko außerhalb der verarbeitenden Prozesssysteme kann durch geeignete Maßnahmen ausge- schlossen werden. Sobald die Pulver vollständig mit Flüssigkeit benetzt sind, tritt auch kein Staub-Ex-Risiko mehr auf. Im Inneren der Anlagen, kurz bevor das Pulver in die Flüssigkeit eingearbeitet wird, durchläuft es jedoch immer einen Staub-Ex-Bereich. Unter diesen Voraussetzungen handelt es sich um einen definiert abgegrenzten Bereich im Innern der Maschine. Für solche Anwendung stehen also Maschinen zur Verfügung, die innen Staub-Ex klassifiziert, außen aber für die Aufstellung im Nicht-Ex-Bereich vorgesehen sind. Nur mit diesen Maschinen dürfen Staub-Ex-Pulver auch in nicht Ex-Zonen verarbeitet werden. Solche Anlagen gibt es in der Pharma- und Lebensmittelindustrie, etwa zum Einsaugen von Stärke, Zucker, Dextrinen oder Stabilisatoren. Auch finden sie sich bei der Herstellung von Kosmetika, wenn organische Verdicker, Vitaminpulver oder Sonnenschutzmittel als Zusatzstoffe zum Einsatz kommen. In der Chemie sind es unter anderem Wachse, Kunststoffpulver, organisch beschichtete Füllstoffe, Zellulosefasern und gasgefüllte Leichtfüllstoffe.

Warum Abdeckhauben das Problem nicht lösen
Bei der Produktion von Lebensmitteln, Kosmetika oder pharmazeutischen Produkten wird aus Hygienegesichtspunkten oft mit Edelstahlabdeckungen über den Elektromotoren oder den gesamten Maschinen gearbeitet. Als Schutz sind diese beim Einsatz in Ex-Anwendungen bzw. in Ex-Zonen allerdings äußerst kritisch. Die Ex-Zulassungen für Motoren und andere elektrische Betriebsmittel gelten im Allgemeinen für den Temperaturbereich von -20 oc bis +40 °c. Die Temperatur innerhalb der Abdeckung muss überwacht werden und darf 40 °c während des Betriebs nicht überschreiten, da sonst die Ex-Zulassungen für innerhalb installierte elektrische Komponenten keine Gültigkeit mehr haben. Diese Temperatur ist aber nur schwer einzuhalten. Messungen an Pumpen und anderen Aggregaten haben ergeben, dass auch unter relativ offen gestalteten Abdeckhauben über Motoren oft Temperaturen von 60 bis 80 °c herrschen. Damit gilt die Ex-ZuIassung nicht mehr. Aber auch im nicht explosionsgefährdeten Bereich leidet der Motor unter verminderter Kühlung. Das schränkt seine Effektivität ein. Prinzipiell das Gleiche gilt für Schalldämmhauben, wobei diese noch wesentlich dichter und stärker isolieren als einfache Abdeckhauben. Um Hygieneabdeckungen und Schallisolierungen im Ex-Bereich einsetzen zu können, müsste die Haube im Inneren gekühlt werden. Interne Kühler sind aufgrund der nur begrenzt zur Verfügung stehenden Kühlfläche allein oft nicht ausreichend. In diesem Fall wird mit einer Ventilation gearbeitet. Bei Schalldämmhauben erfolgt diese Ventilation entweder über Schalldämpfer oder direkt aus externen Räumen. Die Luft im Inneren der Abdeckhaube wird dann über ein schallgedämmtes Ventilationssystem ausgetauscht.


ystral Fachartikel Pulververarbeitung

Magazin: Technische Sicherheit Bd. 9
Ausgabe: 07/08-2019
Autor: Dr. Hans-Joachim Jacob

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Dr. Jacob ist Senior Expert Process and Applications bei ystral. Der studierte Maschinenbauer trat bereits 1990 als Verfahrenstechniker in das Unternehmen ein und betreut seitdem unsere Key - Accounts weltweit. Seine berufliche Leidenschaft ist dabei das Mischen und die Dispersion von Pulvern in Flüssigkeiten. Hierbei konnte er in seiner langjährigen Karriere, Erfahrungen im Umgang mit mehreren tausenden Pulvern aus den verschiedensten Branchen sammeln und teilt seine Expertise gerne mit Herzblut in diversen Fachartikeln, Online-Seminaren oder Vorträgen.

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